Printmagazin | Freitag, 08. November 24

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Der 70-jährige Friedrich Brunner, Vorsitzender vom „Forum Passau“ (Foto:Francois Weinert)
Von Gewinn und Verlust

50 Jahre Stadbildaktivismus

Beitrag erschienen in „Bürgerblick“ Nr. 161, Winter 2022/2023

Wie würde Passau heute aussehen, wenn sie nicht gewesen wären?

Vor 50 Jahren schlossen sich Bürger zusammen, um gegen Abrisswut und Autoflut zu kämpfen. Eine Bilanz ihres Engagements für den Erhalt von Architektur und Natur.

„Vielleicht liegt es daran, dass der Hotelier eine größere Spende an die CSU gegeben hat“, sagt Friedrich Brunner. Rund 100 Zuhörer verfolgen an diesem Abend im Gewölbe des „Museums Moderner Kunst“ seinen Vortrag. Unter ihnen sind Stadträte, Architekten, Handwerker und Lehrer im Ruhestand. Der graubärtige Redner, einst Gymnasiallehrer für Deutsch, Kunst und Religion, ist vielen auch als Künstler bekannt – einer, der aneckt. Vor zehn Jahren ließ der Bischof einen Teil seiner Ausstellung im Diözesanmuseum entfernen: 30 gebrauchte Grabkreuze mit unterschiedlich farbigen Christusstatuen waren ihm „zu bunt“.

Brunner spricht auch über die Kirche: Die Georgskapelle, die bis in die 1980er Jahre nahe der Pfarrkirche St. Paul am Steinweg stand, sollte abgerissen werden. Der damals 30-Jährige kämpfte mit Gleichgesinnten für den Erhalt des Bauwerks von 1423 – vergeblich. Die Kapelle musste einem Hotelneubau weichen. „Eine der bedeutendsten Bauten der Altstadt wurde plattgemacht“, ärgert sich Brunner noch heute. Der Fall war so bedeutsam, dass sie die erste Ausgabe der „Forum Nachrichten“ druckten und an alle Haushalte verteilten.

Brunners Vortrag ist Teil eines Rückblicks auf das Wirken des Vereins „Forum Passau“, der heuer sein 50-jähriges Bestehen feiert. Seit 1972 setzt sich der Verein für den Erhalt des Stadtbildes und der umliegenden Landschaft ein. Sein Leitspruch lautet: „Lasst uns das Unwiederbringliche und Unersetzbare erhalten, sonst werden wir eines Tages erwachen und feststellen, dass wir unser Erbe verschleudert haben.“ Heute zählt das Forum etwa 280 Mitglieder – Tendenz steigend, angesichts von „Nachverdichtung“ und „Flächenversiegelung“.

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PLATZ FÜR MASCHINEN Mit diesem Foto prangerte Peter Zieske, der erste Forums-Vorsitzende, die Blechlawinen in der historischen Altstadt an. (Foto: Stadtarchiv Passau)
In den 1970er Jahren plante CSU-Oberbürgermeister Dr. Emil Brichta eine vierspurige Straße durch die Innstadt, vergleichbar mit der „Stadtautobahn“ am Anger. Alte Villen sollten weichen, Gärten verschwinden. Im „Paradiesgarten“, heute eine Brachfläche, organisierten Aktivisten Protestversammlungen und den ersten Flohmarkt, um Geld für eine Klage zu sammeln. „Die Innstädter haben Hochwertiges hergegeben, um ihre Straße zu retten“, erinnert sich Brunner. Verkauft wurden etwa „Steiff“-Teddys und Jugendstilglas.

Auch heute sammelt der Verein für den Schutz der Innpromenade und der Kastanienallee, dem „grünen Wohnzimmer Passaus“. Die Pläne für einen Hochwasserschutz, der dieses Naturdenkmal zerstören könnte, stehen inzwischen vor dem Aus. Zehn Jahre nach der Flut deutet vieles darauf hin, dass die Bauvorhaben fallengelassen werden.

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PLATZ FÜR MENSCHEN Der Residenzplatz mit dem Marienbrunnen 38 Jahre später. Das historische Pflaster vor der Neuen Residenz bleibt autofrei. (Foto: Francois Weinert)
Das Forum hat Passaus Stadtpolitik nachhaltig geprägt. Mit 53 Ausgaben der „Forum Nachrichten“ informierte es die Bürgerschaft von 1983 bis 2020 über Missstände. Die Zeitung wurde als Postwurfsendung verteilt. „Leider hat die Post diesen Service eingestellt“, bedauert Brunner. Andere Vertriebswege seien zu teuer.

Ein besonderes Anliegen des Vereins war die Reduzierung des Verkehrs in der Altstadt. Jahrzehntelang kämpfte das Forum für autofreie Bereiche. Heute sind Residenzplatz, Schustergasse und Höllgasse für Autos gesperrt, ebenso der halbe Domplatz. „Es gibt noch Verbesserungspotenzial“, meint der 70-Jährige. Dennoch sei man mit der aktuellen Situation zufrieden.

Die Liste der Erfolge und Niederlagen ist lang. Der Kampf gegen Abrisspläne und überdimensionierte Neubauten prägt die Vereinsgeschichte. Ob Rettung historischer Gebäude, Schutz der Dachlandschaften oder Erhalt von Naturdenkmälern – das Forum bleibt hartnäckig. „Wenn etwas weg ist, ist es nicht mehr da“, zitiert Brunner den Passauer Künstler Rudi Klaffenböck.

Doch der Verein hat Nachwuchssorgen. „Unser Durchschnittsalter liegt über 50“, sagt Brunner. Den jüngeren Generationen fehle oft das Bewusstsein für Denkmalpflege. Dabei sei der Erhalt historischer Gebäude nachhaltig: Er mindere den Bedarf an Neubauten und senke den Flächenverbrauch. Dennoch bleibt die Arbeit mühsam. Für den Verein ist Denkmalpflege ein permanenter Kampf gegen die Zeit und wirtschaftliche Interessen.

Am Ende bleibt die Hoffnung, dass der Kampf für das Schöne manchmal über Geld und Rendite siegt – ein Mutmacher, wie das restaurierte „Sissi-Türmchen“ an der Kaiserin-Elisabeth-Brücke zeigt.

red

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