Nachrichten | Wednesday, 12. February 25

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Der Kinofilm greift unter anderem dieses historische Treffen zwischen John F. Kennedy und der Operndiva Maria Callas am 19. Mai 1962 auf. (Foto: Universitätsarchiv/ Cecil Stoughton)
Kinoempfehlung

Callas: Sucht und Sehnsucht

Das Publikum im Proli bleibt bis zum Ende des langen Abspanns sitzen. Hunderte Namen ziehen über die Leinwand. Der Gefangenenchor aus Nabucco erklingt. Man muss weder Opernliebhaber noch Verehrer der Operndiva Maria Callas (1923–1977) sein, um von diesem Film tief berührt zu werden.

„Ihre Versuche, die Stimme zurückzugewinnen, werden ihr den Tod bringen“, prophezeit der Arzt. Maria Callas, die größte Operndiva ihrer Zeit, verbringt ihre letzten Tage im Pariser Herbst des Jahres 1977. In Pablo Larraíns Film "Maria" taucht der Zuschauer ein in eine Welt aus Erinnerung, Sehnsucht und Schmerz – eine filmische Annäherung, die mehr Halluzination als Biografie ist. Der chilenische Regisseur, bekannt für seine ungewöhnlichen filmischen Biografien wie "Jackie" (Jackie Kennedy) und "Spencer" (Lady Diana), schließt mit "Maria" seine Trilogie über faszinierende Frauen des 20. Jahrhunderts ab.

Angelina Jolie verkörpert die legendäre Sängerin, die sich in ihrer Pariser Wohnung zunehmend in einer Mischung aus Realität und Wahn verliert. Ihr einziger Halt: ihre Haushälterin Bruna (gespielt von Alba Rohrwacher) und ihr Butler und Chauffeur Ferruccio (Pierfrancesco Favino). Langsame Kamerafahrten, Rückblenden in Schwarz-Weiß, Originalmaterial aus den 1950er-Jahren, verwoben mit harten Schnitten in die Filmgegenwart.

Die 53-jährige Callas hat ihre einst mächtige Stimme verloren. Doch die Sehnsucht nach Ruhm, Anerkennung und Bühne lässt sie nicht los. Immer wieder halluziniert sie von einem Comeback, stellt sich vor, wie das Publikum sie umjubelt und das Orchester ihr zu Füßen liegt. Philharmoniker spielen im Regen, als würde der Himmel über die Unglückliche weinen. „Mein Gott, die teuren Instrumente“, denkt sich der Betrachter.

Die Kamera unterstreicht Callas’ Niedergang mit überdeutlicher Symbolik. Überall liegt welkes Laub – auf den Plätzen, in den Alleen, vor den Opernhäusern. Es wurde so großzügig verteilt, dass der herbstliche Boden manchmal ins Künstliche kippt. Denn die Bäume im Hintergrund wirken fast zu grün. Callas wird als eine Frau gezeichnet, die nur noch in der Erinnerung strahlt. Angelina Jolie in ihrer stärksten Rolle. Zwischen Filmfigur und Original – es lässt sich kaum mehr unterscheiden.

Mandrax: Die Droge als Metapher
In ihrer Einsamkeit flüchtet Callas in Medikamente. Besonders Mandrax, ein stark abhängig machendes Sedativum, wird zu ihrer ständigen Begleitung. Es ist der Handelsname für Methaqualon, das in den 1970er-Jahren weit verbreitet war. Larraín findet für diese Sucht eine ungewöhnliche filmische Metapher: Der junge Reporter Mandrax (Kodi Smit-McPhee) erscheint wie eine halluzinatorische Personifikation ihres Drogenkonsums. Mit Tonbandgerät, Mikrofon und Kameramann zeichnet er ihre letzten Tage auf, verliebt sich in sie. „Das ist nichts Besonderes“, sagt sie ihm, „das passiert allen Männern.“

Der Film zeigt Callas nicht nur als Opfer der Sucht, sondern auch als Gefangene ihres Ruhms und wie dieser einen Menschen verändern kann. In einer der intensivsten Szenen des Films, einer der wenigen „lauten“ Momente, bricht Callas aus ihrer betäubten Melancholie aus. Sie hat sich privat mit einem Pianisten in ein verlassenes Theater zurückgezogen, um ihre Stimme wiederzufinden. Es sind intime, verzweifelte Momente. Da fängt sie am Ausgang plötzlich ein Reporter ab. Er hält ihr eine Tonkassette hin, auf der er ihre heimlichen Proben aufgenommen hat, und stellt sie zur Rede: Wie stelle sie sich ihr Comeback vor?

Die sonst kontrollierte Callas explodiert. Wutentbrannt will sie ihm das Band aus der Hand reißen, schlägt um sich. Ihr Begleiter Ferruccio greift ein, stößt den Journalisten weg. Die Szene ist wohl eine Fiktion, aber sie soll noch einmal die alte, temperamentvolle Callas aufblitzen lassen – eine Frau, die einst auf der Bühne mit eiserner Disziplin regierte und nun hilflos um ihre Privatsphäre und ihre Würde kämpft.

Onassis: Macht ohne Liebe
In Rückblenden erscheint Aristoteles Onassis (1906-1975), der Elon Musk dieser Zeit, ein griechischer Reeder, der Callas verehrte – doch sie hielt ihn auf Distanz. Er prahlt mit seinem Reichtum, will sie besitzen. „Wenn ich etwas nicht kaufen kann, dann stehle ich es mir“, sagt er und zeigt ihr eine Jupiterfigur, die angeblich aus einem Museum gestohlen wurde. Auch dies ist eine erfundene Szene, um Onassis zu charakterisieren.

Eine der eindringlichsten Szenen spielt während des Geburtstags von John F. Kennedy. Der 19. Mai 1962 im Madison Square Garden in New York. 15.000 Gäste. Die 39-jährige Callas sang zwei Arien aus Bizets Carmen. Sie war zu dieser Zeit bereits mit Onassis liiert. Marilyn Monroe haucht ihr legendäres "Happy Birthday, Mr. President", während Onassis zuvor abfällig kommentiert, dass der Präsident wohl „oben mit Marilyn gefickt habe“ (so die wörtliche Formulierung im Film).

Später sitzt Kennedy Maria Callas gegenüber. Dieses Treffen ist historisch belegt. Sie mustert ihn, sagt nur: „Sie sehen müde aus“, dann bricht sie das Gespräch ab und verlässt ihn. Eine Szene, die zeigen soll, dass Callas sich längst von Machtspielen und oberflächlichem Glanz distanziert hat.

Der Film feierte im August 2024 seine Weltpremiere bei den 81. Internationalen Filmfestspielen von Venedig. Besonders gelobt wurden die Kameraarbeit von Edward Lachman, für die der Film eine Oscar-Nominierung erhielt, und Angelina Jolies Darstellung, die ihr eine Golden-Globe-Nominierung als beste Schauspielerin einbrachte.

Der Film streift auch die Jugend der Operndiva, die in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs und ihre Mutter später verabscheute. Sie wurde als Kind griechischer Einwanderer in New York geboren. Mit Mutter und Schwester zog sie mit 14 zurück nach Athen. Dort wurde sie in den Kriegsjahren von der Mutter gedrängt, für Besatzungssoldaten zu singen, um Essen zu bekommen. Die Mutter soll sogar versucht haben, ihre Töchter zu prostituieren.   

"Maria" ist nichts für Zuschauer, die schnelle Schnitte und einfache Antworten suchen. Larraíns Film ist eine Erfahrung, die sich gegen das flackernde Bilderbombardement des Internets stellt. Er läuft nur im Kino und liefert etwas, das wir alle so nötig haben: Entschleunigung und erhabene Musik. „Musik gewinnt ihr Feuer im Schmerz und im Leid“, sagt Callas einmal sinngemäß im Film. Fröhlichkeit erzeuge nur Oberflächliches.

Zu sehen derzeit in den Promenadelichtspielen (Proli) Passau und in der Filmgalerie Bad Füssing.

hud



 

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